Mittwoch, 18. Februar 2009

Ich Steine, Du Steine

"Hallo..", vorsichtig schaut es aus dem Schneckenhaus hervor.
"Ja, hallo", sage ich. Ich muss ein wenig in die Knie gehen ( und ich bin schon klein) um mit dem Schneckenhaus auf Augenhöhe zu sein.
Und: "Wer bist du. Wo warst du? Wieso hast du dich dort verkrochen?"
Zu der Nasenspitze, die dort eben mit mir gesprochen hat, gesellt sich nun auch ein Augenpaar hinzu.
Fast könnte man meinen, es seien meine Augen. Die Farbe stimmt, die Form.
Aber es fehlt etwas.
Sie sind glanzlos, ein bisschen rot- sie sehen so aus, als hätten sie sich tagelang vor jedem Sonnenstrahl verschlossen. Als hätten sie einen kurzen, nicht sehr erholsamen Winterschlaf gemacht.
Das Augenpaar und die Nasenspitze fangen leise an zu sprechen: "Mein Herz. Mein Herz tat weh" der Blick senkt sich, die Nasenspitze schnieft ein wenig.
Ich überlege, ob ich noch irgendwo in meiner Tasche vergraben ein Tempo habe.
Das Augenpaar schaut hoch: "Lass. Ich weiß, dass du nie welche dabei hast."
Nun ist der Blick wieder fester.
Eine Träne glitzert noch im Augenwinkel.
"Ich habe genug geweint"
Ein wenig ratlos, aber mit einem seltsamen Gefühl im Herzen, schaue ich das Schneckenhäuschen an.
"Warum hast du geweint?" - noch ehe ich die Frage zu Ende gestellt habe, ist mir so, als kenne ich die Antwort.
Das Augenpaar schaut mich traurig an. "Zu allererst. Ganz am Anfang. Da war ich glücklich. Und ich war sogar eine ganze Weile sehr glücklich", die Augen füllen sich mit Tränen und man hört es schwer schlucken, " aber dann, dann ist viel passiert. Ich wurde unzufrieden, fühlte mich schlecht behandelt und das Glück schwand mit jedem neuen Unglück, dass mir den Weg versperrte."
Mein Herz zieht sich zusammen. Was war das? Irgendwoher kannte ich diese Geschichte.
Das Augenpaar sieht mich forschend an.
Am liebsten würde ich es aufhalten, es bitten mir diese Geschichte nicht zu Ende zu erzählen- hätte ich bloß nicht gefragt, denke ich.
Aber das Augenpaar und die Nasenspitze scheinen zu einem Gesicht zu gehören und ich bin neugierig, ob es meinem Gesicht tatsächlich so ähnelt, wie es scheint.
Die Nasenspitze wird langsam zu einer Nase und traut sich mehr und mehr hinauszuschauen.
"Und dann, dann wollte ich das ganze Unglücklichsein beenden und ein bisschen anderes Glück wiederentdecken. Jedem Ende wohnt ein Anfang inne. Aber dann. Dann fing mein Herz an zu schmerzen. Es schmerzte schon seit Wochen. Ich konnte das ganz gut ertragen, denn ich hatte die Hoffnung, dass das Glück weiter an meiner Seite entlang läuft. Aber die Hoffnung schwand. Sie ging mir auf meinem Weg zum Ende verloren, und mein Herz schmerzte mehr und mehr. Ich zog mich hierhin zurück. Wenn mir niemand das Unglück in den Weg stellen kann, dachte ich, würde ich wieder glücklich sein und mein Herz würde aufhören zu schmerzen. "
Ich erkenne mich.
Mich selbst.
Das Gesicht versteckt sich nun nicht mehr.
Der Glanz in den Augen fehlt noch immer. Ein paar kleine Fältchen sind hinzu gekommen.
Ich sehe älter aus, fahl.
Bin das wirklich ich?
"Dort, in meinem Herzen. Ein Riss war dort. Und ich habe versucht ihn zu reparieren. Noch ist er nicht ganz verheilt. Er kann immer noch reißen. Ich muss sehr vorsichtig sein. "
Mein Gesicht lächelt. Eine kleine Träne kullert die Wange hinab.
Ich nehme es in den Arm, drücke es ganz sanft, damit es mir nicht kaputt geht: "Ich passe jetzt auf dich auf. Den Riss machen wir wieder heil."
Fast erkenne ich mein Lächeln und ein bisschen mehr Glanz in meinen Augen.